28. Oktober 2022 / Reportage

Uniform und Weste machen in der Hitze zusätzlich zu schaffen

Die Uniform und die schusssichere Weste belasten das Personal übermässig. Abgesehen von den beruflichen Zwängen, wo Pausen und Erholung nicht frei planbar sind, macht das Material zu schaffen. Studien weisen sogar auf ein erhöhtes Krebsrisiko hin, wenn man der Hitze vermehrt ausgesetzt wird. Die Nachtschichten verschärfen dieses Risiko zusätzlich.

 

Es gehört zu den Pflichten des Arbeitgebers, die Sicherheit und die Gesundheit seiner Angestellten zu garantieren. Mit der Zusammenlegung der Berufe des Grenzwachtcorps und des Zolls bekommen insbesondere die ehemaligen Zollfachspezialisten den Aspekt Sicherheit am eigenen Leib zu spüren: Das Tragen der schusssicheren Weste war und ist für viele unter ihnen ein Streitpunkt. Wer seit jeher als Grenzwächter oder Grenzwächterin arbeitet, war sich seit Stellenantritt der Bedingungen bewusst, auf die sie eingehen würden. Allerdings ist auch für sie ein Detail neu: Das Tragen der Weste ist seit diesem Jahr obligatorisch.


Mit dieser neuen sprichwörtlichen Last, die sie mit sich herumtragen, hadern einige ehemalige Zivile. Es ist nicht nur eine Frage der Angewöhnung, sondern auch der Gesundheit: Eine Studie des Departments für Wissenschaft und Gesundheit im kanadischen Bundesstaat Québec an 3589 Polizeicorps-Mitgliedern hat ergeben, dass einige berufliche Aktivitäten in Verbindung mit dem Tragen der Weste und der persönlichen Ausrüstung (Weste, Handschellen, Pistole usw.) die Entstehung von Schmerzen im unteren Rückenbereich eindeutig begünstigen.


Glücklicherweise sind die neuen schusssicheren Westen, die die BAZG-Angestellten tragen müssen, rund ein Drittel leichter als jene in Verwendung beim kanadischen Polizeicorps, und auch leichter als die früheren, die bis vor kurzem beim Grenzwachtcorps in Verwendung waren: Sie bringen rund 2,7 kg auf die Waage, während die alten noch knapp über 3 kg wogen. Dementsprechend äussern sich BAZG-Angestellte nur verhalten kritisch über das Gewicht der Westen. Von Flughafenarbeitenden erfuhr die Redaktion indirekt, dass die Weste den Oberkörper gar stabilisiere, und dies als angenehm empfunden werden kann.


Das Material der Uniform müsste überdacht werden

In den heissen Sommerperioden taucht eine Frage dringend auf: Wer stundenlang bei 30 und mehr Grad in kompletter Uniform inklusive schusssicherer Weste arbeitet, stösst an seine Grenzen. Wer draussen den ganzen Tag Kontrollen durchführen muss, leidet. Im Gespräch mit verschiedenen Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit kamen einige interessante Hinweise zutage.


Die Frage ist: Kann die Kleidung derart verbessert werden, dass sich der Körper während einer längeren Hitzeperiode ausreichend abkühlen kann? Sollte das BAZG zusätzliche Massnahmen ermöglichen, um die Gesundheit des Personals so wenig wie möglich zu belasten?


Hört man sich beim Personal um, besteht eindeutig Handlungsbedarf, zumindest im niederschwelligen Bereich. «Ab 25 Grad ist man in der Hitze ständig nass», berichtet eine Fachspezialistin vom massiven Schwitzen. Nur sind 25 Grad vergleichsweise milde Sommertemperaturen – zeitweise stieg das Thermometer dieses Jahr wochenlang auf über 30 Grad, hin zu Spitzen von 37 Grad.


Im ersten Augenblick fällt die Suche nach der Lösung auf etwas so Unscheinbares wie das Polo-Shirt, das die Fachspezialisten unter der schusssicheren Weste tragen. «Die Dehydrierung mit dem neuen Polo-Shirt ist viel stärker als mit dem früher verwendeten T-Shirt. Ich habe vom Polo-Shirt Irritationen auf der Haut bekommen, die ich früher nicht hatte», berichtete eine BAZG-Mitarbeiterin in der Romandie. Es gibt verschiedene Rückmeldungen über zunehmende Fälle von Hautirritationen bis hin zu Hautpilz. Die körperliche Belastung wegen der ungenügenden Kühlfunktion der Kleidung scheint mit dem neuen Material auch zugenommen zu haben. «Wenn ich vier, fünf Tage in der Hitze arbeite, stosse ich körperlich an meine Grenzen.»


Die Möglichkeit von Pausen ist nicht immer gegeben

Dies ruft den Wunsch nach geeignetem Material und Lösungen, die dem Körper mehr Abkühlung und Wärmeaustausch ermöglichen. Auch die Hosen der Uniform verhindern den Wärmeaustausch mit der Umgebung. Die Beine haben tatsächlich eine wichtige Funktion dabei: Sie sind wichtig für die Abkühlung des Körpers. Diesen Sommer bewährten sich häufigere kurze Pausen oder Rotationen, damit Angestellte im Büro zwischendurch Teile der Uniform ausziehen konnten, um sich abzukühlen. Vorausgesetzt: Keinerlei Kontakt mit Aussenpersonen, um die Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Die verschiedenen BAZG-Angestellten, mit denen die Redaktion im Gespräch war, äusserten den Wunsch, dass das BAZG bei der Wahl des Materials eine bessere Lösung sucht.


Der gesundheitliche Aspekt beschränkt sich im Speziellen nicht nur auf die Arbeitsaktivität, sondern auch auf die Erholungsphasen. Wer mehrere Tage nacheinander an der Hitze gearbeitet hat, stösst an seine Grenzen. Wünschenswert wäre, bei hitzebedingter Überbelastung aufgrund des Wetterberichts kurzfristig den Arbeitsplan anpassen zu können.


Zusätzlich ist es für viele schwierig, sich ausreichend mit Wasser zu versorgen. Wer auf der Strasse unterwegs ist, kann nicht voraussagen, wie intensiv der Arbeitstag wird, und ob man Pausen zum Trinken und Abkühlen einlegen kann. Ausserdem hat man keine Klimaanlage zur Verfügung, wie das in den Büros normalerweise der Fall ist. Täglich brauchen die Fachspezialisten Zoll und Grenzwacht an solchen heissen Tagen drei bis fünf Liter Wasser. Die standardmässigen Trinkflaschen reichen nicht immer aus, weil das Nachfüllen manchmal stundenlang nicht möglich ist.


Die Hitze und die Nachtschichten erhöhen das Krebsrisiko

Besonders dringend ist das Problem für Frauen. Mehr noch bereitet Sorgen, dass das Brustkrebsrisiko beim Arbeiten in der Hitze höher ist. Die Amerikanische Vereinigung für Krebsforschung (AACR) hat eine solche breit angelegte Studie in Spanien im Februar 2021 abgeschlossen. Die Forschenden wiesen nach, dass die vermehrte Aussetzung an der Hitze die Fallzahlen von Krebs steigen lässt. Der Effekt ist statistisch nachweisbar, wenngleich moderat – das heisst, mit der Hitze steigen die Fallzahlen von Krebsdiagnosen leicht, aber eindeutig. Die höheren Krebs-Fallzahlen betreffen derweil nicht nur Brustkrebs, sondern auch verschiedene andere Krebsarten. Wenn zur anhaltenden Sommerhitze wie jene von 2022 – wie sie im Zug der Klimaerwärmung ohnehin häufiger zu erwarten ist – auch noch das Tragen der Weste und Uniform hinzukommt, erhöht dies das Krebsrisiko folglich noch mehr.


Angesichts der Nachtschichten muss das Krebsrisiko erst recht ernstgenommen werden. Wie im zweiten Teil der Reportage erläutert, erhöht die Nachtschichtarbeit einige Gesundheitsrisiken. Die Rahmenbedingungen sollten zumindest die erhöhten Risiken so gut es geht eindämmen.

Was macht Garanto

Garanto hat das Thema Arbeiten bei extremer Hitze und Kälte an der diesjährigen Info-Konferenz der GL-BAZG mit den Personalverbänden eingegeben. Vizepräsident und Grenzwächter Daniel Gisler fordert einen Plan für Ausnahmereglungen bei extremer Hitze/Kälte. Dies beinhaltet auch Abweichungen vom Trage-Obligatorium der Schutzweste.


Die anderen erwähnten gesundheitlichen Aspekte diskutieren wir im Rahmen der Sozialplanverhandlungen. Insbesondere hat Garanto die Wiedereinführung von zwei Stunden Sport pro Woche auf Arbeitszeit eingegeben. Diskussionen rund um die Einsatzplanung beinhalten auch den Einbezug von sozialen Kriterien oder die Forderungen nach der Vereinbarkeit Beruf und Familie/Privatleben.

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